Beim Durchkämmen des Netzes blieb ich an einem Foto hängen wegen des Blicks der Frau auf der rechten Seite. Das Foto aus 1885 zeigt drei Frauen aus unterschiedlichen Teilen Asiens mit sehr entschiedenem Blick, prächtigen Gewändern und akademischem Titel. Sie haben tausende Kilometer weit weg in der "Quaker City" Philadelphia in einer Zeit extremen Sexismus und Rassismus ein Medizinstudium am Women’s Medical College of Pennsylvania absolviert, der zweiten Medizin-fakultät der Welt, die Frauen ein Medizinstudium ermöglicht hat. Sehr wahrscheinlich waren sie die jeweils ersten Frauen ihrer Kulturen und Länder mit einem Doktorat in westlicher Medizin, Dr.in Islambooly vermutlich sogar die erste Frau des arabischen Raumes mit einem Universitätsstudium. Auf dem Foto anläßlich einer Einladung der drei befreundeten Ärztinnen ist die Gastgeberin nicht mit im Bild: ihre Dekanin, Rachel L. Bodley. Dr.in Joshee stand im Aufnahmezeitpunkt kurz vor Beendigung ihres Studiums das sie in drei anstatt der regulären vier Jahre schaffte. Dr.in Kei Okami und Dr.in Tabat Islambooly befanden sich damals noch am Anfang ihrer Studien.

Dr.in Joshee hatte sich zum Medizinstudium entschlossen weil ihr einziges Kind mit zehn Tagen starb und medizinische Hilfe auch für Frauen hoher Kasten vollkommen unerreichbar war. Sie war damals etwa 12 Jahre alt und seit drei Jahren mit ihrem Hauslehrer verheiratet. Missionare hätten sie beim Studium in Übersee unterstützt wenn sie zum Christentum übergetreten wäre. Mit Hilfe von Theodicia Carpenter, die in New Jersey aus der Zeitung davon erfuhr und später ihre Freundin wurde, sowie der Dekanin konnte sie schließlich die unermeßlichen Schwierigkeiten von Kastenregeln, Reise, Finanzierung und Ablehnung überwinden - einzig ihr Mann lehnte sie in ihrer Gesellschaft nicht ab - und ihr Studium absolvieren. Englisch hatte sie bereits in Indien gelernt. Als erste ausländische Studentin der medizinischen Fakultät wurde sie eine Art Star, auch Queen Victoria interessierte sich für sie. Sie starb im Alter von 21 Jahren an Lungentuber-kulose ohne je praktiziert zu haben.

Dr.in Okami war bereits Englisch-Lehrerin und konnte mit ihrem Mann, einem Kunst-Lehrer, der nach Michigan berufen wurde, nach Amerika reisen. Sie kehrte nach ihrem Studium nach Tokyo zurück und wurde Chefärztin der gynäkologischen Abteilung des Jikei Hospital in Tokyo. Als der japanische Kaiser Meiji das Spital besuchte und sich weigerte, sie zu empfangen, weil sie eine Frau war, hat sie gekündigt, eine eigene Praxis und ein Sanatorium für TBC-Kranke eröffnet. Nach etlichen Jahren mußte sie aus Mangel an Unterstützung beides aufgeben, auch ihr Mann war gegen ihre ärztliche Tätigkeit.

Über Dr.in Islambooly ist noch weniger bekannt - vielleicht wegen der schwierigen Transkription ihres Namens aus dem Arabischen, vielleicht weil Verwandte in eine legendäre politisch-religiöse Affaire ("Damascus Affair" 1840) verwickelt gewesen sein sollen. Sie kam aus einer angesehenen muslimisch-jüdischen Familie aus Damaskus. Da sie mit ihrem Goldschmuck zum Studium erschien ist anzunehmen dass ihre Familie sie unterstützt hat. Nach ihrer Rückkehr nach Syrien konnte sie vermutlich nur privat praktizieren. Ein paar Jahre später ist sie mit der gesamten Familie nach Kairo gegangen, wo sie offenbar praktiziert hat - eine behördliche Genehmigung aus 1936 belegt das. Möglicherweise nur als "nurse". 


   Installation view Kunstverein Baden 2020, Original Photo: Legacy Center Archives, Drexel University, College of Medicine